Das Römerkastell zu Gomadingen

römerkastell gomadingen

Häuser, Häuser, Häuser“

Schon als Buben interessierten sich die Gebrüder Besch brennend für die Geschichte ihres Heimatortes Gomadingen. Mit großen Augen lauschten sie den Sagen und Legenden ihrer Großmutter, die oft von einem verborgenen goldenen Sarg in der Nähe erzählte, sammelten akribisch die Überbleibsel der römischen Besatzer und durchstreiften unermüdlich das Gelände. Mit Erfolg: Bereits Anfang des 20. Jahrhundert war vermutet worden, dass sich auf der Gemarkung Gomadingen ein Römerkastell entlang des Alblimes befunden haben muss, entdeckt wurde es aber erst 1977 durch luftbildarchäologische Prospektionen von Klaus und Heinz Besch.

„Wir hatten schon immer das Ziel, das Kastell exakt zu lokalisieren“, erzählt Heinz Besch. Die Lage der befestigten Anlage war genial gewählt. Der Kastellplatz von Gomadingen liegt am nördlichen Bebauungsrand der heutigen Ortschaft. Von der Landstraße 230 wird das Areal durchschnitten. Topographisch befindet sich der Platz östlich des „Sternbergs“ an einer Stelle, an der die Täler der Großen Lauter, der Gächinger Lauter und des „Schörzbaches“ aufeinander treffen. Diese Gegebenheiten geschickt nutzend, lag das Kastell in der heutigen Flur „Hasenberg“ unterhalb es heutigen Gestüts Charlottenhof, wo Lauter- und Schörzbachtal ein natürliches Annäherungshindernis bildeten und gleichzeitig die Wasserversorgung der Garnison sicherstellten.

Im ersten Jahrhundert n. Chr. drangen die Römer von der Donau nach Norden vor. Auf der Alb bauten sie Kastelle, die sie mit einer Straße verbanden, dem Alblimes. Der westliche Teil des Alblimes von Rottweil bis Donnstetten markierte allerdings nur für kurze Zeit die Außengrenze des römischen Reichs, nämlich bis zur Vorverlegung der Grenze vom Rhein an Odenwald und Neckar unter Kaiser Trajan (vermutlich) im Jahre 98 n. Chr., der östliche Teil des Alblimes von Donnstetten bis Heidenheim blieb hingegen bis um 122 n. Chr. Außengrenze des römischen Reichs. Mit dem weiteren Vordringen der Römer verlor der Alblimes später seine militärische Bedeutung.

Viele römische Fundstücke

„Es war klar, dass hier in Gomadingen etwas gewesen sein musste“, sagt Klaus Besch, „Schon immer waren viele römische Fundstücke durch den Pflug ans Tageslicht gekommen und es waren auch immer wieder Fuhrwerke auf dem Feldern eingebrochen.“ Heute weiß man, dass die schweren Gefährte dabei über ehemalige Häuser des zum Kastell gehörigen Dorfes (lat.: Vicus) gefahren waren, die, teils mit Fußbodenheizungen versehen, innere Hohlräume aufwiesen, die dem Gewicht der Fuhrwerke nicht standhielten.

Aber mit den herkömmlichen Methoden war eine exakte Lokalisierung der Anlage nicht möglich. Doch die Gebrüder Besch ließen nicht locker, die erste „Luftbildaufnahme“ entstand zwar von einem Baum aus, zeigte aber bereits auf, welche ungeahnte Möglichkeiten diese damals relativ neue Methode barg. 1972 war es dann soweit: Heinz Besch charterte auf eigene Kosten ein Flugzeug und sondierte das Gelände von oben.

„Der Pilot war ein alter Kampfflieger aus dem 2. Weltkrieg und hat überhaupt nichts gesehen. Ich dagegen saß neben ihm und rief die ganze Zeit ‚Häuser, Häuser, Häuser‘“, erinnert sich der heute 75-jährge Heinz Besch lachend, „Später hat der Pilot dann meine Frau gefragt, ob bei mir im Oberstübchen alles in Ordnung wäre.“ Durch ihre bis heute mehrmals im Jahr durchgeführten Erkundungsflüge konnten die Gebrüder Besch die Lage des Kastells exakt bestimmen. Anschließend wurde es vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg unter der Leitung von Hartmann Reim archäologisch untersucht – mit tatkräftiger Unterstützung von Heinz und Klaus Besch natürlich. Mitte Oktober 2008 wurde das Gelände unter der Leitung von Frieder Klein geomagnetisch prospektiert. Die Auswertung der Daten zeigte auf, dass die Anlage mit einer Gesamtfläche von 3 Hektar nicht nur das größte bislang bekannte Kastell auf der Schwäbischen Alb, sondern von der Größe her durchaus vergleichbar mit dem bekannten Römerkastell von Aalen war. „Allerdings war das Gomadinger Kastell von einfacherer Bauweise und nur relativ kurz belegt“, sagt Klaus Besch. Es hatte aber mindestens die Größe eines Kohortenkastells, durch den Fund einer Lanzenspitze mit der Inschrift: „(Eigentum) des Iunius (aus der) Turma (des) Oc…“ kann zudem auf eine zumindest teilberittene Einheit geschlossen werden. Eine Kohorte bestand aus rund 400 Mann. Die Lanzenspitze befindet sich heute im Limesmuseum in Aalen.

Aufgrund des Fundmaterials ließ sich bestimmen, dass das Kastell von Gomadingen in domitianischer Zeit, wohl zwischen 85 und 90 n. Chr., errichtet und, nachdem es durch den Ausbau des Neckarlimes seine Bedeutung verloren hatte, spätestens um das Jahr 110 n. Chr. wieder aufgegeben worden war.

Uralter Kulturboden

Der Vicus von Gomadingen, die bei nahezu jedem römischen Militärlager anzutreffende Zivilsiedlung, in der sich Angehörige der Militärs, Händler, Handwerker und Dienstleistende niederließen, befand sich nördlich und östlich des Kastells unter anderem in der unter dem Namen „Schwärze“ bekannten Flur. „Das ist uralter Kulturboden der mit Holzkohleresten versetzt ist, daher auch der Name“, erklärt Klaus Besch. Der Vicus entstand wohl zeitgleich mit der militärischen Ansiedlung, bestand aber noch über das Ende des Kastells hinaus bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts. Auch eine Villa Rustica, also ein größeres Landgut mit mehreren Gebäuden, ist nachgewiesen. Hier wurde sogar ein größerer „Schatzfund“ bestehend aus einige Münzen aus dem 3. Jahrhundert, gemacht. „Das sorgte für einige Überraschung, denn eigentlich hatte man gedacht, dass die Anlagen zu dem Zeitpunkt bereits aufgegeben worden waren“, sagt Heinz Besch.

Das Gelände des Römerkastell zu Gomadingen ist heute als Bodendenkmal geschützt und ein eingetragenes Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg. Private Nachforschungen und das gezielte Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig. Zufallsfunde sind an die Denkmalbehörden zu melden – oder den Gebrüdern Besch, ihres Zeichens seit vielen Jahren ehrenamtliche Mitarbeiter des Referats für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Tübingen.

Text: Kerstin Dannath, Fotografie: Gebr. Besch